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Aquariana-Buddhismus und Therapie – ein Spannungsfeld?
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Buddhismus und Therapie – ein Spannungsfeld?

Buddhismus und Therapie – ein Spannungsfeld?

Ein Erfahrungsbericht

Ein Artikel von Jan Orlowski

Erscheinungsdatum: 21. August 2015
Schlagwörter: Selbsterfahrung

“There is a crack in everything, that´s how the light gets in" (L. Cohen)
"In allen Dingen ist ein Riss, so kommt das Licht herein"

Auf einem spirituellen Pfad wie dem des Buddhismus plötzlich an eine Grenze zu treffen oder ein Schlüsselerlebnis zu haben, welches das ganze in Frage stellt, haben wohl viele Menschen schon einmal erlebt. Es könnte sein, dass die bisherigen Anschauungen oder Methoden nicht mehr weiter helfen, und es könnte schnell den Wunsch geben, sich neu zu orientieren, ob innerhalb oder außerhalb des bisher verfolgten Systems. Mit meinem Gruppenangebot möchte ich durch einen offenen Austausch eine Orientierungshilfe bieten.

Nachdem ich vor 20 Jahren mein erstes zehntägiges buddhistisches Vipassana-Retreat vollendet hatte, war ich überzeugt davon, in dieser Form der Meditation das gefunden zu haben, was die Dinge, die in meiner Seele schräg lagen, zurechtrücken könnte. Mich heilen und erleuchten könnte. Das stimmte und es stimmte nicht.

Ich lernte viel von mir kennen, lernte Achtsamsein und Loslassen. Ich lernte, mich weniger mit Dingen zu identifizieren und hatte Einsichten, die mein Leben wunderbar bereicherten.
Was nicht passierte: Die Dinge, die schräg waren, rückten nicht gerade. Nachdem ich vielleicht vier Jahre voller Hingabe meditiert hatte, glaubte ich, meine gröbste Ignoranz und Gier hinter mir gelassen zu haben. Aggression hatte ich erst recht im Griff. Wut und Ärger sollte man ja ebenso wie seine Begierden überwinden, und man sollte gut zu allen Wesen sein.

Gott sei Dank begegnete ich dann auf einer Reise nach Vietnam zwei geschäftstüchtigen Rikschafahrern, die es wagten, mich gemein übers Ohr zu hauen. Aus dem Nichts tickte ich aus, verlor die Kontrolle, brüllte auf offener Straße laut herum. Dann kam die Scham und dann die Frage, ob ich vielleicht etwas Wichtiges übersehen hatte.

Erst als ich im Anschluss begann, über den buddhistischen Tellerrand hinauszublicken, lockerten sich die Dinge ein wenig. Ganz wichtig daran war, das Ziel loszulassen, all diese "Unreinheiten" wie Hass, Gier und Unwissenheit zu überwinden. Stattdessen die radikale Akzeptanz dessen, was ist, zu erfahren. Erleben, dass Dinge genau so perfekt sind, wie sie eben sind, inklusive mir selbst. Sogar, dass das, was ich bin, natürlicherweise schon erleuchtet ist.
Dass dies auch nur ein Teil der Wahrheit ist und auch diese Sichtweise ihre Tücken hat, zeigte sich bald, und es gab Phasen, in denen ich etwas verwirrt war.

Es folgte ein vielfältiger Prozess der Integration und Emanzipation, Dinge klärten und setzten sich. Ein wichtiges Element dabei war Focusing, eine Methode, bei der man seine Körperempfindungen in Bezug zu Lebensthemen setzt, um dadurch zu neuen Perspektiven oder Schritten zu finden.

Zurück zu den Dingen, die in meiner Seele schräg lagen: Die liegen immer noch schräg, bewegen sich aber. Und immer öfter komme ich dahin, sie wie den oben zitierten Riss zu erleben: der Riss, durch den das Licht eindringt.

Begleitung in Krisen

Seit Anfang 2012 arbeite ich als Krankenpfleger mit Menschen in Lebenskrisen. Ins Kriseninterventionszentrum im Klinikum am Urban kommen Menschen, die ihr Leben aufgrund von Trennung, Trauer, beruflicher Konflikte oder einer aus dem Ruder gelaufenen Lebenssituation nicht mehr alleine bewältigen können. Ich begleite sie in Einzelgesprächen und Gruppentherapien. Nicht selten gelingt es mir, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sie einen Weg aus ihrer schwierigen Lage finden. Einige schaffen es, die Krise tatsächlich als Chance zu erkennen und innerhalb von kurzer Zeit entscheidende Schritte Richtung Heilung oder Ganzheit zu tun.

Neben den äußeren Faktoren einer Krise liegen fast immer auch innere vor, zum Beispiel dass Menschen ihre eigenen Bedürfnisse übergehen, dass sie sich nicht angemessen abzugrenzen lernten, dass sie nicht lernten, Wut und Ärger zu äußern und sie stattdessen schluckten.

Was beispielsweise die Bedürfnisse betrifft, ist es von großer Bedeutung, sie erst einmal wahr- und ernst zu nehmen. Die buddhistische Anschauung, dass das Verlangen die Ursache des Leids ist, kann dabei im Wege stehen. Selbst wenn die Achtsamkeitspraxis sehr tief oder subtil ist, können zugrunde liegende Sichtweisen dennoch den Blick ins Hier und Jetzt beeinflussen und trüben. Alle möglichen Mechanismen, die dabei am Werk sein können, wollen wir in der Gruppe beleuchten.

Um Missverständnisse auszuräumen: Ich finde die Lehre des Buddha großartig und unvergleichlich und ich bin sehr dankbar, dass ich auf sie gestoßen bin. Ich möchte aber gängige unerwünschte Nebenwirkungen beleuchten, um Menschen auf ihrem Pfad zu unterstützen.

Die Gruppe

Weil mir die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld von Buddhismus und Psychotherapie ein wichtiges Anliegen ist, biete ich nun eine Gruppe an. Sie findet ab dem 4. September 2015 immer freitags von 18.00 bis 20.00 Uhr statt. Wenn Ihnen die Themen wie Mitgefühl versus Abgrenzung oder Entsagung versus Genuss (weitere siehe Website) aus eigener Erfahrung bekannt vorkommen oder Sie diese spannend finden, sind Sie ganz herzlich dazu eingeladen. Wir wollen einen offenen Austausch schaffen, umrahmt von Meditationen.

Das Ziel für die angebotene Gruppe sind nicht allgemeingültige Lösungen oder Wahrheiten. Mein Anliegen ist es vielmehr, dass wir im Spannungsfeld von Buddhismus und Psychotherapie durch Austausch individuelle Entwicklungsschritte gehen.

Zum Ablauf: Wir beginnen mit einer angeleiteten Meditation, die uns zum Thema hinführt. Dabei wechseln sich klassische buddhistische Reflexionen mit Übungen aus dem therapeutischen Bereich ab. Darüber hinaus werden Achtsamkeitspraktiken mit Elementen aus dem Focusing verknüpft.

Im Anschluss umreiße ich kurz das Thema. Dabei stelle ich den Ansichten des Buddha die aus therapeutischer Sicht problematischen Aspekte gegenüber. Im Anschluss findet ein Austausch darüber statt, der möglichst persönlich und am eigenen Erleben orientiert sein sollte. Ich moderiere, der Ausgang soll offen bleiben. Wir enden mit einer überwiegend stillen Achtsamkeitsmeditation.

Jan Orlowski im Aquariana

Jan Orlowski

Focusing, Internal Family System (IFS)
Systemische Paartherapie

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