Von der Wichtigkeit, offene Gestalten zu schließen
Einer der zentralen Aspekte der Gestalttherapie ist die Gestalt.
Der Mitbegründer der Gestalttherapie, Fritz Perls, war der festen Überzeugung, „dass alles, was den Menschen bedrückt, er nicht in der Vergangenheit suchen muss. Nein, vielmehr trägt er es in jedem Moment bei sich. Alle unerledigten Geschäfte, die ihn heute davon abhalten, ein erfülltes Leben zu führen, liegen ganz dicht unter der Oberfläche. Mit seiner Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimmfärbung und selbst mit seiner Gangart stellt der Mensch in jedem Augenblick sein Seelenleben aus, so wie ein Ladengeschäft seine Ware im Schaufenster.“
Was sind unerledigte Geschäfte bzw. offene Gestalten?
Eine offene Gestalt ist ein Fachbegriff aus der Gestaltpsychologie und meint unerledigte Handlungen. Die Russin Bluma Zeigarnik, Schülerin Kurt Lewins (Psychologe, einer der "großen vier" der Berliner Schule der Gestaltpsychologie), forschte in den 1920er Jahren an den Wahrnehmungs- und Handlungstheorien. Sie entdeckte, dass Menschen unerledigte Handlungen besser im Gehirn behalten als erledigte Handlungen.
In der Gestalttherapie sprechen wir von offenen Gestalten, wenn Dinge unerledigt bleiben, Handlungen ausstehen, Situationen ungeklärt sind oder nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.
Das beinhaltet zum einen große unabgeschlossene (Lebens-)Themen wie die fehlende Aussprache mit einem unnahbaren und ablehnenden Familienmitglied oder einen Konflikt mit einer Freundin oder einem Kollegen, bei dem es nicht zur Klärung kommt, zum anderen auch alltägliche Dinge wie unbeantwortete E-Mails, Telefonate und andere unerledigte Aufgaben wie beispielsweise das Aufräumen eines Schreibtisches.
Weitere Beispiele können sein,
- die Erledigung einer Steuererklärung
- das Ausmisten alter Kleidung, anderer Dinge oder des Kellers
- einen längst überfälligen Arzttermin wahrnehmen
- die ständig aufgeschobene Gehaltsverhandlung angehen
Am Ende bleibt das „unerledigte Geschäft“, ein unangenehmes Gefühl, Frustration, Hilflosigkeit, das schlechte Gewissen, die Verletzung oder Kränkung.
Warum haben offenen Gestalten eine so starke Wirkung in uns?
Diese unerledigten Geschäfte bzw. offenen Gestalten tragen eine ihnen innenwohnende Kraft in sich. Psychologisch gesehen tragen sie eine Entwicklungskraft in sich. Sie wollen erledigt und abgeschlossen werden, damit sie in den Hintergrund treten können und uns die wieder frei gewordene Energie für weitere Herausforderungen und Bedürfnisse zur Verfügung steht.
Vielleicht kennst du das von dir!? Da liegt immer noch die eine E-Mail in deinem Postfach, die du schon längst beantworten wolltest, und dein schlechtes Gewissen meldet sich bei dir. Oder seit einiger Zeit kreisen deine Gedanken immer wieder um ein Thema, das dich plagt, und du findest nicht den Punkt, dieses Thema wirklich anzugehen.
Diese unbeantwortete E-Mail oder das offengebliebene Thema taucht immer wieder in deinen Gedanken auf, d.h. diese offene Gestalt bindet Energie in dir, die du eigentlich zur Erledigung anderer (Lebens-)Aufgaben brauchst.
Wie offene Gestalten auf unsere Lebensfreude wirken können?
Stell dir vor, dass du deinen seit Wochen chaotischen und überfüllten Schreibtisch aufräumst. Du bist fertig und spürst, wie dieser aufgeräumte Schreibtisch aufgeräumt ausschaut und du dich wieder zurechtfindest. Darüber hinaus wirkt sich das positiv auf deine Psyche aus. Du betreibst auch sog. „Psychohygiene“ und räumst auch in deiner Psyche auf.
Wir Menschen funktionieren als organismische Einheit und dazu gehört auch unsere Seele, d.h. wenn ich also meinen Schreibtisch aufräume, hat das auch eine Rückwirkung auf meine Seele. Offene Gestalten oder „unerledigte Geschäfte“ können so stark in unserem Leben wirken, dass sie unsere Lebensfreude schmälern, wenn sie in dem Offenen gebunden bleiben.
Eine offene Gestalt beinhaltet auch unerwünschte Gefühle, wie etwa Trauer, Angst, Schmerz, Wut und Scham, denn sie erfüllen wichtige Funktionen in unserem Leben, tragen eine Kraft und Aufgabe in sich, die gezielt eingesetzt werden möchten, wenn sie gebraucht werden.
Auch unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse, die ich mir nicht erfüllen konnte, Handlungen, die ich gewollt, aber nicht vollzogen habe und ich in etwas stecken geblieben bin, zählen zu den beschriebenen offenen Gestalten.
Phänomenal ist, dass sich offene Gestalten auf Dauer nicht wegschieben, verdrängen oder ignorieren lassen. Beispielsweise kann der Versuch eine offene Gestalt zu schließen, darin bestehen, dass jemand versucht, in einer Partnerschaft endlich die glückliche Symbiose zu erleben, die in der Vergangenheit als Kleinkind so schmerzlich vermisst wurde. In der unbewussten Hoffnung, diese offene Gestalt durch eine Partnerschaft zu schließen, wird versucht, das offen gebliebene Bedürfnis zu stillen. Gelingt dies nicht, wird häufig die Partnerschaft gewechselt und wiederum versucht, das offen gebliebene Bedürfnis zu stillen. So taucht ein und dasselbe Problem bei unterschiedlichen Menschen wieder und wieder auf.
Warum ist es wichtig, offene Gestalten zu schließen?
Als in Gestalttherapie ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie spreche ich von diesen offenen Gestalten, wenn es um die unerledigten Lebensthemen geht, die ursprünglich häufig aus unserer Vergangenheit kommen, deren Erinnerungen jedoch gegenwärtig intensiv in unserem Hier und Heute wirken, unsere Beziehung zu uns selbst und anderen wesentlich beeinflussen. Sie blockieren unsere Lebendigkeit und verbrauchen unsere Lebensenergie, die jeder von uns zur Erledigung anderer Lebensaufgaben benötigt.
Je bedeutender das Thema für unser Leben ist, desto belastender können die Folgen sein. Beispielsweise erzeugen offene Gestalten Symptome wie innere Unruhe, Stress, machen uns unzufrieden und halten uns davon ab, ein erfülltes Leben zu führen.
Die Symptome drücken sich häufig auch in körperlichen Beschwerden aus, wie z.B. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Rücken- oder Nackenschmerzen, Ohrgeräuschen, Verdauungsbeschwerden, Schwindelgefühlen, übermäßiger Erschöpfung und Müdigkeit.
Das Ziel ist, diese offenen Gestalten zu schließen, damit sie in den Hintergrund treten können und die frei gewordene Energie für Neues zur Verfügung steht. So wird der Weg frei zu deiner Kraft und Lebendigkeit.
Nächster Start neue Gruppe
Gestalt-Gruppentherapie – MitGefühl
Beginn: 7. Februar 2025 | Ende: 16. Mai 2025
jeweils freitags, 17:45 - 19:45 Uhr
verbindliche Gruppe über 10 Abende
alle Details & Termine: www.daniela-schuermann.de
Daniela Schürmann
Gestalttherapie, Gestalt-Gruppentherapie MitGefühl,
Begleitung bei Bindungs- & EntwicklungsTrauma,
Heilpraktikerin für Psychotherapie